Arbeitnehmer in Florida

Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Florida

Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Europa und den USA hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich viele europäische Betriebe in den Vereinigten Staaten niedergelassen haben. Dieser Trend wurde in den letzten Jahren zwar etwas gebremst, hält jedoch weiter an. Bei der Einstellung von Arbeitnehmern werfen die Besonderheiten des US-amerikanischen Arbeitsrechtes für den Arbeitgeber viele Fragen und Unsicherheiten auf. Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil wird das amerikanische Arbeitsrecht nicht alleine von “hire and fire” bestimmt. Zwar gibt es generell keinen Kündigungsschutz, so dass der Arbeitgeber wesentlich freier mit Arbeitskräften verfahren kann, als dies in Deutschland möglich ist. Andererseits ist das amerikanische Arbeitsrecht im Bereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Antidiskriminierungsgesetze stärker ausgeprägt als das deutsche. Nachfolgend sollen die wichtigsten Unterschiede zum deutschen Arbeitsrecht aufgezeigt werden.

 

Advertisement

I. Anwendbares Recht und Gerichtsstand

Bei Arbeitsverhältnissen, die eine Berührung sowohl zum deutschen als auch amerikanischen Recht aufweisen, ist zunächst abzuklären, welches Recht zur Anwendung gelangt und wo der Gerichtsstand ist. Wird ein Arbeitnehmer nur vorübergehend unter Beibehaltung des deutschen Arbeitsvertrages in die USA entsandt, so bestimmt sich das Arbeitsverhältnis zwar oft nach deutschem Arbeitsrecht. Gleichwohl kann der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen, nicht doch in den USA verklagt zu werden. Wenn ein Gerichtsstand in den USA begründet wird, ist die Wahrscheinlichkeit der Anwendung von U.S.-Recht ebenfalls hoch, insbesondere wenn auch lokale Prozessregeln angewendet werden.

Wird das in Deutschland bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst oder ein neues in den USA begründet, so besteht grundsätzlich freie Rechtswahl hinsichtlich des Arbeitsvertrags. Treffen die Vertragsparteien keine ausdrückliche Vereinbarung, so unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verrichtet oder in dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet. Sollte sich allerdings aus einer Gesamtbetrachtung heraus ergeben, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist, so ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Umstände, die bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung in eine Gesamtbetrachtung einbezogen werden, können beispielsweise die Staatsangehörigkeit der Parteien, die Vertragssprache oder die Währung sein, in der das Gehalt ausbezahlt wird. Darüber hinaus wendet der U.S.-Richter verständlicherweise eher U.S. als deutsches Recht an. Letztendlich gibt es auch Arbeitnehmerschutzgesetze in den USA, die sich nicht vertraglich abbedingen lassen.

Dabei ist zu beachten, dass es in den USA im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland nicht üblich ist, einen Arbeitsvertrag abzuschließen.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Möglichkeiten einer gerichtlichen Auslegung sollten bei Abschluß eines jeden Arbeitsvertrages das anzuwendende Recht und der exklusive Gerichtsstand ausdrücklich bestimmt werden.

II. Arbeitsrecht in den USA am Beispiel des Staates Florida

Das US-amerikanische Arbeitsrecht findet sich verstreut in der Gesetzgebung des Bundes, der einzelnen Bundesstaaten sowie regionaler Körperschaften, in Tarifverträgen, im Common Law und dem “Case law”, und wird nicht zuletzt durch den individuellen Arbeitsvertrag geregelt (falls ein solcher vorliegt).

a) Title VII – United States Code

Zu den wichtigsten arbeitsrechtlichen Vorschriften in den USA zählen die Antidiskriminierungsbestimmungen, die sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene bestehen. Nach Title VII des “Civil Rights Act of 1964” gelten die Antidiskriminierungsgesetze für alle Arbeitgeber, die 15 oder mehr Personen beschäftigen. Allerdings müssen regionale Unterschiede beachtet werden, die eine Erweiterung dieser Bundesregelung vorsehen. So hat beispielsweise der Landkreis Dade-County Miami eine Verordnung erlassen, wonach Arbeitgeber bereits mit 5 oder mehr Arbeitnehmern gewissen lokalen Antidiskriminierungsgesetzen unterliegen, die fast deckungsgleich mit den Bundesgesetzen sind.

Sowohl in Florida als auch auf bundesstaatlicher Ebene genießen U.S. Arbeitnehmer Schutz vor Diskriminierung wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Herkunft, Alter oder Behinderung. Florida untersagt zudem die Diskriminierung aufgrund des Familienstandes, HIV oder AIDS-Infektionen und der Sichelzellenanämie (sickle-cell-trait). Schwangere werden über die jeweiligen Antidiskriminierungsgesetze und den “Family and Medical Leave Act” geschützt.

b) Sexual Harrassment

Ein weiterer Bereich der Antidiskriminierungsgesetze liegt im Schutz gegen sexuelle Belästigungen (“sexual harassment”). Als sexuelle Belästigung werden jeder unerwünschte sexuelle Antrag, das Auslegen von eindeutigem Bildmaterial am Arbeitsplatz, anzügliche Blicke, Pfiffe oder Gesten, Kommentare über die körperliche Erscheinung und jeder unerwünschte körperliche Kontakt gewertet. Darüber hinaus regelt dieses Gesetz auch das Ausnutzen einer beruflichen Position, um sexuelle Handlungen zu erwirken oder dulden zu lassen, und verbietet einen unangenehmen Arbeitsplatz (sog. „hostile work environment“).

Diese zum Schutz der Arbeitnehmer erlassenen Gesetze verbieten dem Arbeitgeber jegliche Diskriminierung bei der Einstellung, Bezahlung und der Festlegung von Arbeitsbedingungen. Verstößt ein Arbeitgeber gegen diese Schutzbestimmungen, kann er zu Schadensersatz in erheblicher Höhe, beziehungsweise zur Wiedereinstellung des unter Verstoß gegen die Antidiskriminierungsgesetze rechtswidrig gekündigten Arbeitnehmers verurteilt werden. Zusätzlich kann der Arbeitgeber auch zur Bezahlung der Rechtsanwaltsgebühren des Klägers verurteilt werden, was sonst nicht selbstverständlich wäre.

Hinsichtlich der Klagevoraussetzungen hat der Arbeitnehmer zu beweisen, dass (1) er oder sie Mitglied einer geschützten Gruppe ist; (2) die erforderliche Qualifikation für diesen Arbeitsplatz vorlag; (3) die Kündigung oder die Ablehnung der Einstellung trotz Vorliegen der Qualifikation ausgesprochen, und (4) die Position anschließend mit einer Person besetzt worden ist, die nicht Mitglied einer geschützten Gruppe ist. Diese Beweisführung kann mittels direktem Zeugen- oder Urkundsbeweis, indirektem Anscheinsbeweis oder statistischem Beweis (anhand der Anzahl der unter die Antidiskriminierungsgesetze fallenden Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes) geführt werden.

Bei sexuellen Belästigungen muß der Arbeitnehmer nachweisen, dass das Umfeld am Arbeitsplatz unerträglich war oder er/sie zu sexuellen Handlungen oder Duldungen durch einen Vorgesetzten gezwungen wurde und der Arbeitgeber dieses Vorgehen geduldet hat. Dies setzt jedoch die Kenntnis des Arbeitgebers voraus, der somit zumindest vor zivilrechtlichen Folgen eines “Ersttäters” geschützt ist.

c) Rechte des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers

Im US-amerikanischen und Florida-Recht gibt es bezüglich der Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern einige Besonderheiten, die dem deutschen Gesetz nahezu unbekannt sind:

§ In Florida können Arbeitgeber mit vier (4) oder mehr Beschäftigten bei Einstellungen Alkohol- und Drogentests durchführen lassen. Bei einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis können solche Tests bei begründetem Verdacht auf Drogen- oder Alkoholmißbrauch durchgeführt werden. Solche Verdachtsmomente können sich aus Zeugenaussagen oder abnormen bzw. sprunghaftem Verhalten bei Erbringung der Arbeitsleistung ergeben. Weiterhin können derartige Tests im Rahmen einer obligatorischen Routine-Fitness-Untersuchung durchgeführt werden. Ist das Testergebnis positiv verlaufen oder verweigert der Arbeitnehmer die Teilnahme, hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein Kündigungsrecht bzw. das Recht, eine Einstellung zu verweigern.

§ Eine weitere Besonderheit des Arbeitsrechts in Florida ist der “Florida Clean Air Act”. Generell besteht in öffentlichen Gebäuden außerhalb speziell gekennzeichneter Zonen Rauchverbot. Derart geschützte “public places” sind nicht nur Gerichtsgebäude, Regierungsgebäude, Museen und Restaurants, sondern auch jeder Arbeitsplatz. Gestattet ist das Rauchen lediglich in privaten Büros, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Sobald sich der Arbeitsplatz innerhalb einer Raucherzone befindet, muss jeder Arbeitnehmer mit einem Arbeitsplatz innerhalb dieser Zone zustimmen. Verweigert der Arbeitnehmer diese Zustimmung, darf der Arbeitgeber diesen Arbeitsplatz nicht als Raucherzone ausweisen. In einem Gebäude darf nicht mehr als die Hälfte der Fläche als Raucherzone ausgewiesen werden. Einige Örtlichkeiten sind gänzlich ausgenommen und dürfen keine Raucherzonen ausweisen: Fahrstühle, Treppenhäuser, Wartezimmer, Schulbusse etc..

§ Aufgrund des “Convenience Store Security Acts” müssen Betriebe, die ihr Geschäft nachts offenhalten, zahlreiche Sicherheitsbestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer beachten. Diese Sicherheitsvorkehrungen umfassen unter anderem das Aufstellen einer Überwachungskamera. Waren Mitarbeiter des Geschäftsbetriebes bereits Opfer eines Überfalles, so greifen verstärkte Sicherheitsvorschriften ein, die der Geschäftsinhaber zu erfüllen hat, darunter der Einbau von kugelsicherem Glas und die Bereitstellung von bewaffnetem Sicherheitspersonal.

d) Vergütungsvorschriften und Arbeitszeit

Bundesrechtlich liegt der zu zahlende Mindestlohn von erwachsenen Arbeitnehmern nach dem “Fair Labor Standards Act” derzeit bei $5.15 pro Stunde. Für Beschäftigte im Servicebereich, die regelmäßig Trinkgelder erhalten, liegt der vom Arbeitgeber zu zahlende Mindestlohn bei $2.13 pro Stunde, wobei eine Aufstockung der Vergütung zu erfolgen hat, wenn der Arbeitnehmer mit Hilfe der Trinkgelder nicht den Mindestlohn von $5.15 erreicht. Weitere Besonderheiten gelten für jugendliche und behinderte Arbeitnehmer, die unterhalb des Mindestlohns beschäftigt werden können.

Die wöchentliche Arbeitszeit der meisten Arbeitnehmer liegt bei 40 Stunden. Überstunden müssen bundesgesetzlich zusätzlich vergütet werden, wenn die tägliche Arbeitszeit um mehr als 1 ½ Stunden überschritten wird. In Florida müssen Überstunden erst ab 10 Stunden Arbeitszeit pro Tag vergütet werden. Leitende Angestellte und Führungskräfte sind von dieser Regelung ausgenommen.

e) At-will-employment

Während das deutsche Arbeitsrecht die Dispositionsfreiheit von Arbeitgebern bei der Kündigung von Arbeitnehmern erheblich einschränkt und von der Schutzbedürftigkeit des schwächeren Arbeitnehmers ausgeht, existiert in den Vereinigten Staaten außerhalb tariflicher Verträge generell kein Kündigungsschutz. Das US-amerikanische Arbeitsrecht basiert auf der Freiheit der Vertragsparteien, jederzeit eigenverantwortlich eine Entscheidung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses treffen zu können. Der durchschnittliche amerikanische Arbeitnehmer wechselt während seines Berufslebens den Arbeitsplatz etwa acht Mal. Wenn überhaupt ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, wird dieser in den Vereinigten Staaten zumeist als “at-will-employment” (Arbeitsverhältnis auf Widerruf) ausgestaltet. Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber können bei dieser Vertragsart die Beschäftigung grundsätzlich zu jeder Zeit beenden, ohne dafür eine Begründung angeben zu müssen.

f) Kündigung von Arbeitnehmern

Eingeschränkt wird das Kündigungsrecht lediglich vertraglich oder insoweit, als nicht aus gesetzlich vorgesehenen Gründen heraus eine Kündigung ausgesprochen werden darf. Solche Gründe sind bundesstaatlich oder einzelstaatlich geschützte Rechte, wie beispielsweise Diskriminierung aufgrund des Alters, einer Behinderung, der Rasse oder des Geschlechts. Weiterhin ist eine Kündigung unrechtmäßig, wenn dadurch gegen die Grundsätze der “Public Policy” verstoßen wird. Ein Arbeitnehmer darf demzufolge nicht entlassen werden, wenn er sich weigert, für seinen Arbeitgeber eine rechtswidrige Handlung zu begehen, oder wenn er einer Gewerkschaft beitreten möchte. Darüber hinaus ist ein Arbeitnehmer davor geschützt, dass er aufgrund einer eingereichten Beschwerde entlassen wird (“retaliatory termination”).

III. Neuere Entwicklung des Arbeitsrechts

Während gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer umfangreiche Rechte auf Grund der gewerkschaftlich ausgearbeiteten Verträge besitzen, sind nicht organisierte Arbeitskäfte, die die Mehrzahl der Arbeitnehmer in den Vereinigten Staaten darstellen, relativ ungeschützt.

Als problematisch und für die Entwicklung des amerikanischen Arbeitsrechts sehr weitreichend wird eine neuere Entscheidung gewertet, wonach nunmehr jeder Arbeitnehmer das Recht auf die Anwesenheit eines Arbeitskollegen bei einem Gespräch mit seinem Arbeitgeber hat, bei dem der Arbeitnehmer ernsthaft davon ausgehen kann, dass es zu einem Disziplinarverfahren oder zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber führen könnte. Dieses Recht sollte ursprünglich die Ungleichheit der Verhandlungsposition der beiden Parteien beenden und galt zunächst ausschließlich für gewerkschaftlich organisierte Arbeitsplätze. Nunmehr wurde dieses Recht auf sämtliche Arbeitnehmer ausgedehnt.

Diese Entscheidung könnte die Aktivitäten und Anstrengungen der Gewerkschaften zur Organisierung der Arbeitnehmer ausweiten, indem Arbeitnehmer künftig dazu animiert werden, angebliche Verletzungen des NLRA-Gesetzes durch die Behauptung, der Arbeitgeber habe dem Arbeitnehmer nicht gestattet, einen Kollegen oder Vertreter hinzuzuziehen, dem NLRB (National Labor Relations Board / Nationale Behörde der Tarifparteien) zur Anzeige zu bringen. Der gekündigte Arbeitnehmer könnte auf diesen Umweg eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung herbeiführen. Arbeitgeber sollten diese Entscheidung daher künftig bei entsprechenden Mitarbeitergesprächen beachten.

IV. Zusammenfassung

Einer von vielen Gründen für das wirtschaftliche Wachstum und das hohe Beschäftigungsniveau in Florida liegt im flexiblen Arbeitsrecht begründet. Sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in Europa ist zunehmend die Neigung zu einer Überregulierung wenn auch auf unterschiedlichen Gebieten des Arbeitsrechts, zu verspüren. Wie sich in Europa gezeigt hat, führen solche Bestrebungen jedoch nicht zu dem gewünschten Schutz der Arbeitnehmer. Sie tragen vielmehr zu einer Zurückhaltung bei der Einstellung von Arbeitnehmern bei, was sich langfristig nachteilig auf die Beschäftigungszahl auswirkt und somit zu einem gegenteiligen Effekt führt.

In Florida ist das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Arbeitgeber noch so geregelt, dass das Beschäftisgungsrisiko nicht alleine beim Arbeitgeber liegt. Dies hat erheblich zum Aufschwung in Florida geführt und ermöglicht vor allem auch ausländischen Unternehmen bei guter arbeitsrechtlicher Planung eine Expansion in die USA ohne das übliche deutsche Kündigungsrisiko.

(c) 2004 – Rechtsanwalt Alexander Reus, drrt.com
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information.

>>> Sprechen Sie uns an bei weiteren Fragen