Konkursrecht USA

Einführung in das US-Konkursrecht

Im Jahre 2000 hat es in den USA bei 280 Millionen Einwohnern ca. 1.3 Millionen Geschäfts- und Privatkonkurse gegeben, so dass statistisch auf jeden 215. Einwohner ein Konkurs entfiel. Im Vergleich zu Deutschland eröffnet des amerikanische Recht einem Schuldner mehr und attraktivere Möglich­keiten, seine Schulden abzubauen oder nach einem gewissen Zeitraum sogar erlassen zu bekommen. Daraus erklärt sich bereits, wieso in Deutschland bei einer Bevölkerung von 82 Millionen im gleichen Zeitraum “nur” ca. 40.000 Insolvenzen stattfanden und damit statistisch eine Insolvenz auf jeden 2050. Einwohner entfiel, allerdings mit deutlich steigender Tendenz.

Das amerikanische Recht kennt dazu mehrere Formen des Konkurses. Dabei wird zwischen der Liquidation als der Auflösung des Schuldnervermögens und der Reorganisation des Schuldner­vermögens zum Zwecke der Sanierung unterschieden. Zudem ist der Konkurs einer individuellen Person genauso möglich wie der eines geschäftlichen Betriebes oder Unternehmens.

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Im vorliegenden Artikel soll zunächst auf die allgemeinen Konkursformen und Verfahrens­abläufe und sodann auf die Unterschiede zur erst kürzlich (01.01.1999) eingeführten deutschen Verbraucher­insolvenz einschließlich des Schuldenerlasses eingegangen werden.

A. Allgemeines

Chapter 7 – Liquidation

Die Mehrheit der Konkurse wird gemäß Kapitel 7 des Bundeskonkursgesetzes (Bankruptcy Code) durchgeführt und dient der vollständigen Auflösung der Konkursmasse zur bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger. Die Verwaltung und Abwicklung der Konkursmasse wird dabei einem vom Konkursgericht zu bestimmenden Konkursverwalter übertragen.

Chapter 11 – (Reorganisation) Sanierung

Als Alternative zur Liquidation bietet sich die Reorganisation nach Kapitel 11 an, die dem Schuldner die Kontrolle über seine Vermögensmasse beläßt mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens oder seiner privaten Finanzen unter gleichzeitiger Verteilung gewisser Vermögenswerte auf die Gläubiger, die ihrerseits ein Kontrollgremium bilden.

Chapter 13 – (Reorganisation) Verbrauchersanierung

Privatpersonen (Verbraucher) haben zudem die Möglichkeit, nach Kapitel 13 eine Reorganisa­tion ihres Vermögens durchzuführen, wobei nach einem vom Konkursgericht genehmigten Plan Zahlungen an die Gläubiger vorzunehmen sind und danach dem Verbraucher die verbliebenen Schulden vom Gericht erlassen werden können.

B. Der Verfahrensgang in den USA

Die Einleitung des US-Konkursverfahrens kann von jedem Schuldner betrieben werden. Auf Antrag der Gläubiger wird ein unfreiwilliges Konkursverfahren nur bei momentaner Zahlungs­unfähig­keit des Schuldners eingeleitet.

Sollte ein Konkursantrag des Schuldners abgelehnt worden sein, so ist ein neuerlicher Antrag erst nach Ablauf von 180 Tagen möglich.

Auch ist ein Wechsel von einem Sanierungsverfahren nach Chapter 11 oder Chapter 13 in ein Liquidationsverfahren nach Chapter 7 möglich.

Durch die Beantragung des Konkursverfahrens (‘filing of bankruptcy proceeding’) wird das Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger automa­tisch dergestalt verändert, dass fast alle Forderungseintreibungen durch die Gläubiger zum Erliegen kommen müssen (‘automatic stay’).

Eine Verletzung dieser Regel durch die Realisierung von Forderungen oder Rechten stellt einen schwerwiegenden Fehler des Gläubigers dar und zieht die Nichtigkeit seiner Handlungen nach sich. Zudem kann es als eine Missachtung des Konkursgerichts angesehen werden und Schadensersatzforderungen oder Strafen gegen den Gläubiger nach sich ziehen, sollten seine Handlungen Schäden im Hinblick auf die Konkursmasse angerichtet haben.

Es ist daher wichtig, als Gläubiger ohne gerichtliche Freigabe keinerlei Handlungen gegenüber dem Schuldner vorzunehmen.

Das der Konkursmasse unterfallende Vermögen des Schuldners umfasst alle seine Rechte oder Gegenstände, unabhängig davon, wo sich diese auf der Welt befinden oder ob diese bevorzugte oder geschützte Vermögenswerte darstellen.

Von der Konkursmasse ausgenommen sind nach den bundesstaatlichen Gesetzen üblicherweise das Wohnhaus (“homestead exemption”) und der Lohn des Schuldners sowie die Renten-, Behinderten- und Pensionszahlungen und Versicherungsleistungen an den Schuldner. In Florida und in Texas besteht keine Begrenzung im Hinblick auf den Wert des Wohnhauses, so dass schon diverse Privatpersonen ihr Millionen-Dollar-Anwesen trotz Konkurses behalten durften. Dazu kommen noch gemeinsam mit dem Ehegatten gehaltene Güter.

Der Verwalter einer Konkursmasse nach Chapter 11 ist berechtigt, die in seinem Besitz befind­lichen Vermögens­werte zu verkaufen, zu nutzen oder zu vermieten. Die sich im Besitz von Dritten befindlichen Vermögenswerte können auf seinen Antrag hin vom Konkursgericht von den Dritten eingezogen werden. Dies ist sogar bei mit Pfandrechten belastetem Vermögen des Schuldners möglich, sofern diesem irgendein Recht zum Besitz dieses Vermögens zusteht.

Der Verwalter hat vor der Verwertung von Vermögenswerten die Genehmigung des Konkurs­gerichts einzuholen mit Ausnahme der im Geschäftsverkehr üblichen Tätigkeiten. Zudem kann er die weitere Abwicklung von Geschäften oder Vermietungen genehmigen oder ablehnen. Der Verwalter kann bereits eingegangene Verträge nur in Gänze annehmen oder ablehnen.

Da gemäß Chapter 11 der Schuldner selbst als Vermögensverwalter die Sanierung betreibt, bilden die Gläubiger ungesicherter Forderungen ein Kontrollgremium. Der Schuldner ist dann berechtigt, innerhalb von 120 Tagen einen Sanierungsplan vorzulegen, danach kann ein solcher von jeder beteiligten Partei eingereicht werden, wobei in keinem Fall eine einstimmige Annahme des Sanierungsplans erforderlich ist.

Die Abwicklung der Konkursmasse darf nicht zur Bevorzugung bestimmter Gläubiger oder der unentgeltlichen Begünstigung eines Dritten durch Beschenkungen führen. Sollte der Schuldner derartige Hand­lungen vorgenommen haben, so ist der Verwalter berechtigt, diese rückgängig zu machen.

Die Aufteilung der Konkursmasse an die Gläubiger bestimmt sich nach deren Rang. Zunächst werden die abgesicherten Gläubiger (‘secured creditors’) bedient, sodann die vorrangigen For­derungen (‘priority creditors’) und schließlich die nicht abgesicherten Forderungen (‘unsecured creditors’) sowie Geldstrafen, Bußgelder und Anteilseigner.

Die vorrangigen Forderungen umfassen Verteilungskosten, nach dem Konkursantrag entstandene Verbindlichkeiten, deren Befriedigung zum Erhalt der Vermögensmasse nötig ist, genehmigte Ausgaben nach der Antragstellung, individuelle Lohnansprüche, Ansprüche auf Zuschüsse zu Arbeitnehmerförderplänen, Ansprüche von bestimmten Bauern und Fischern, bestimmte Arten von Verbraucher-Geldeinlagen und schließlich behördliche Ansprüche wegen Steuerschulden.

Nach Ende des Verteilungsverfahrens befreit das Konkursgericht den Schuldner, allerdings nur sofern dieser ein Verbraucher ist, von den Zahlungsverpflichtungen gewisser vor der Antrag­stellung entstandener Schulden (‘discharge’ – Entlastung).

Eine Entlastung wird jedoch nicht gewährt, sofern der Schuldner unredliche Vermögens­verschiebungen vorgenommen, keine ordnungsgemäßen Finanzübersichten erstellt, wissentlich betrügerische Konkursstraftaten begangen, Verluste oder Fehlbestände unzureichend dargelegt, die Befolgung von gerichtlichen Anweisungen oder Auskünfte aus unangemessenen Gründen verweigert oder bereits in zwei aufeinander ­folgenden, nicht mehr als 6 Jahren auseinander liegenden Konkursverfahren Entlastungen erlangt hat.

Eine Entlastung tritt weiter nicht ein im Hinblick auf gewisse Steuerschulden, Verpflichtungen aufgrund von fehlerhaften Vertretungen oder betrügerischen Handlungen, familienrechtlichen Unterhaltszahlungen (Alimente) und mit diesen in Verbindung stehenden, festgestellten Anwaltsgebühren.

Der US-Kongress berät derzeit über eine Neufassung des Konkursrechts in den Vereinigten Staaten. Präsident Bush hat bereits angedeutet, dass er eine Beschränkung der “homestead exemption” auf $125,000 nicht unterzeichnen würde, so wie dies momentan im Vermittlungsausschuss des Senats und des Repräsen­tantenhauses diskutiert wird. Auch angesichts der Ereignisse des 11. Septembers und der Rezes­sion wird abzuwarten bleiben, ob die Politik die Durchführung von Konkursen wie ursprünglich geplant erschweren wird.

C. Die Situation in Deutschland

In Deutschland eröffnet die zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene, das Konkursrecht ersetzende Insolvenzordnung erstmals ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Mit den Erfordernissen einer vergeblichen außergerichtlichen Einigung über die Schuldenbereinigung und dem Versuch einer gütlichen Einigung vor Gericht stellt die deutsche Regelung allerdings mehr Anfor­derun­gen an eine für den Schuldner erfolgreiche Durch­führung seines Verbraucher­insolvenz­verfah­rens als die US-amerikanische Variante, auch wenn der deutsche Gesetzgeber durch das Insolvenzordnungs­änderungsgesetz 2001 bereits nachgebessert hat.

Zudem setzt eine Restschuldbefreiung unter anderem voraus, dass der Schuldner nach der Verwertung der Insol­venz­masse seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sieben Jahren nach Aufhebung des Insolvenz­verfahrens an einen Treuhänder abtritt (Wohlverhaltensperiode).

(c) 2005 – Rechtsanwalt Alexander Reus, drrt.com
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information.

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